SOZIALPARTNERMODELL BIETET VIELE CHANCEN

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13.04.2022 Interview: Hans H. Melchiors, PSVaG und Oliver Stolz, Betriebsrat bei Bosch in Abstatt und Mitglied des Kapitalanlagenausschusses des Bosch Pensionsfonds.

Interview mit Hans H. Melchiors, langjähriger Vorstand des Pensionssicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (PSVaG) und Oliver Stolz, Bosch Betriebsrat am Standort in Abstatt und Mitglied des Kapitalanlagenausschusses des Bosch Pensionsfonds

Denken Sie bzw., denkst Du, dass ein Sicherungsbeitrag im Sozialpartnermodell eine gleichwertige Sicherung zu bisherigen Modellen in der betrieblichen Altersversorgung darstellen kann?

Hans H. Melchiors:
Gleichwertig bedeutet ja in der Definition den gleichen Wert aufweisend, gleichwertigen Ersatz oder gleichwertige Beschaffenheit haben. Deshalb wäre ich mit dem Begriff vorsichtig. Letztlich kann der Sicherungsbeitrag deutlich besser aber auch schlechter sein für den Versorgungsberechtigten, vermutlich aber nicht genau gleich.

Der Sicherungsbeitrag im Sozialpartnermodell verfolgt ein anderes Ziel als die gesetzliche Einstandspflicht des Arbeitgebers mit der Insolvenzsicherung durch den PSVaG. Beides wird im Sozialpartnermodell durch den Sicherungsbeitrag ersetzt, so die Gesetzesbegründung zum Betriebsrentenstärkungsgesetz für das Sozialpartnermodell.

Konkret: Bei den bisherigen Zusagen wird zum Zeitpunkt des Eintritts des Schadenfalls (also wenn der Arbeitgeber insolvent wird und die Leistung nicht erfüllen kann) die Leistung auf die bis dato erworbene Anwartschaft beschränkt, deren Höhe sich im Regelfall nicht mehr verändert. Bei Versorgungen im Sozialpartnermodell mit einem Sicherungsbeitrag sichert dieser auch den dynamischen Versorgungsanspruch gegen Marktschwankungen ab. Das bedeutet, dass sich auch im Falle des Wegfalls eines Arbeitgebers die Leistung weiterhin dynamisch verändern wird und die Versorgung an den Marktchancen weiter partizipiert. Wichtig ist dabei insbesondere die Höhe des Sicherungsbetrages, welche entscheidend sein kann für eine Resilienz gegen Marktschwankungen.

Natürlich muss im Sozialpartnermodell ein Hauptaugenmerk in der Kapitalanlage auf die Höhe der zu erwartenden Leistung gelegt werden, denn der Versorgungsberechtigte soll ja darauf vertrauen können, dass die in Aussicht gestellte Leistung erbracht wird, auch wenn keine garantierten Leistungen versprochen werden.

Daher stellt der Sicherungsbeitrag zunächst einmal einen Puffer dar, der dann genutzt wird, wenn sich durch negative Marktschwankungen eine Kapitallücke ergeben würde, die eine Reduzierung einer laufenden Rente oder Anwartschaft zur Folge hätte. Damit soll sichergestellt werden, dass eine Rente möglichst nicht nach unten schwankt. Darüber hinaus kann ein nicht benötigter Sicherungsbeitrag auch höhere Erträge generieren, die wiederum das Versorgungskapital erhöhen und damit aktiv zu höheren Renten beitragen.

Natürlich gilt dies nicht nur für laufende Renten, sondern auch für Anwärter, also Arbeitnehmer, die eine gute spätere Rente erwarten. Es erfordert daher eine gute Risikoabwägung, entsprechende Anlage- und Sicherungsstrategien sowie
solide, belastbare Rechnungsgrundlagen.

Im Ergebnis bietet das neue Sozialpartnermodell langfristig viele Chancen auf eine gute Altersversorgung.

Oliver Stolz:
Ich kenne aus meiner Erfahrung mit dem Bosch Pensionsfonds den Durchführungsweg Pensionsfonds ganz gut und kann daher aus diesem Blickfeld eine Einschätzung abgeben.

Der Sicherungsbeitrag soll dazu dienen, die weggefallene Einstandspflicht des Arbeitgebers abzufedern. Wenn der Sicherungsmechanismus richtig eingesetzt wird, steht einer vergleichbaren Sicherung aus meiner Sicht nichts entgegen.
Hier muss dann allerdings die Frage gestellt werden, was "richtig eingesetzt" bedeutet.

Aus meiner Sicht muss der Sicherungsbeitrag allein vom Arbeitgeber getragen werden, denn seine Einstandspflicht fällt schließlich weg. Die Höhe des Sicherungsbeitrags muss dem Risiko bestimmter in der Berechnung berücksichtigten Marktverwerfungen entsprechen, die das Versorgungskapital beeinträchtigen können. Ich halte diese Vorgehensweise für die Anwärterinnen und Anwärter für vorteilhafter, insbesondere da hier der Sicherungspuffer kollektiv verwendet wird und keine Abhängigkeit von einem einzelnen Arbeitgeber vorliegt. Insofern ist dieses Modell auch unabhängig von der Insolvenz des Arbeitgebers und benötigt keinen entsprechenden Insolvenzschutz durch den Pensionssicherungsverein.

Wie wird heutzutage Sicherheit im Pensionsfonds hergestellt und wo liegen
hier die Reserven?

Oliver Stolz:
Pensionsfonds sind einer von fünf möglichen Durchführungswegen in der betrieblichen Altersversorgung. Die Besonderheit beim Pensionsfonds sind die größeren Möglichkeiten der Kapitalanlage. Diese nutzen wir auch beim Bosch Pensionsfonds. Insofern sind auch spezielle Sicherungsmechanismen erforderlich. Dazu gehören viele gesetzliche Regelungen, welche die Anlage betreffen. Hierzu gehört die Auswahl der Anlageformen, die Verteilung des Kapitalvermögens auf die Anlageformen und die Streuung zwischen verschiedenen Schuldnern. Dies alles gilt es auch im Pensionsfonds eines Sozialpartnermodells zu beachten.

Aus der Anlage entstehen natürlich auch Reserven, insbesondere wenn die Umrechnung des Versorgungskapitals in eine Rentenleistung vorgenommen wird. Für den Fall, dass eine Unterdeckung, d. h. wenn das zugeordnete Versorgungskapital nicht der versprochenen Leistung entspricht, muss ggf. der entsprechende Arbeitgeber Geld einzahlen, die sog. Nachschussverpflichtung. Beim Sozialpartnermodell im Pensionsfonds zahlt der Arbeitgeber bereits von Anfang an einen Sicherungsbeitrag, ohne das eine konkrete Unterdeckung eingetreten ist.

Hans H. Melchiors:
Seit dem Jahr 2001 war ich auch unmittelbar zuständig für Kapitalanlagen in Versorgungseinrichtungen, wie Pensionsfonds (u.a. für den ChemiePensionsfonds (CPF). Auch beim PSVaG war ich für ca. 8 Mrd. Euro Kapitalanlage zuständig. Jedes Unternehmen hat natürlich eigene Anforderungen an die Sicherheit und Ertragserwartungen seiner Kapitalanlage. Es kommt jeweils auf den Zweck des Unternehmens an und deren Regulatorik hat ebenfalls Einfluss. Der CPF hatte beispielsweise einen eher versicherungsförmig angelegten Kapitalstock, da es feste garantierte Leistungen gab. Die Kapitalanlage war allerdings schon deutlich stärker ertragsorientiert als die Restriktionen der damaligen gesetzlichen Kapitalanlagevorschriften für Lebensversicherer es zuließen.

Die Kapitalanlage in einem Sozialpartnermodell über einen Pensionsfonds ist deutlich weniger eingeschränkt und kann die sich bietenden Chancen in der erforderlichen Mischung und Streuung deutlich stärker in Anspruch nehmen. Hier kommt es wesentlich auf das gewünschte Risikoprofil, das langfristige Asset-Liability-Management, die Liquiditäts-anforderungen und die Gesamtgröße des Versorgungswerks an. Die Sicherung erfolgt üblicherweise durch eine stark differenzierte Anlage an den Kapitalmärkten mit ständig angepasster Anlagestrategie und je nach Stand der Sicherung der Zusagen werden entsprechende explizierte und implizierte Sicherungspuffer angepasst.

Bei einer statischen Leistung mit Einstandspflicht des Arbeitgebers in dem bisherigen Modell werden die Kapitalanlagen auf diese Sicherung ausgerichtet. Im Sozialpartner-modell hingegen greifen etwas andere Mechanismen, da es keine regulatorischen Anforderungen an einen sofortigen Nachschuss durch Arbeitgeber gibt und auch der Pensionsfonds selbst bei starken Schwankungen nicht sofort gezwungen ist, aus einem Investment auszusteigen. Unter Umständen wäre dies ja dann zum schlechtesten Zeitpunkt. Diese Vorteile und eine vorsichtige Handhabung sowie ein kollektiver Ansatz der Rechnungsgrundlagen geben diesem Modell deutlich mehr Freiraum. Allerdings kann dieses Modell nur bei entsprechender Größe des Versorgungswerks seine Vorteile voll ausspielen. Deshalb ist sowohl bei der Anzahl von Anwärtern und Rentnern als auch in der Höhe der Kapitalanlage Volumen erforderlich; denn Größe bringt in der Kapitalanlage deutlich größere Anlagemöglichkeiten und geringere Kosten. Jeder einzelne kleine Beitrag für sich alleine kann nicht viel bewirken, aber ein großes Versorgungswerk kann mit vielen Beiträgen effizient arbeiten und damit die Sicherheit jedes Einzelnen deutlich erhöhen.

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Interview

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Letzte Änderung: 13.04.2022